„Entweder trinke ich mich zu Tode, oder ich hole mir Hilfe“

„Mein Name ist Simone (Name geändert). Ich hatte eine belastende Kindheit mit diversen Traumata und fühlte ständige Spannungen. Ich habe mich immer zu sehr um andere gekümmert, nicht auf mich geschaut und Anerkennung und Liebe im Außen gesucht. Fast 30 Jahre lang hatte ich eine überwiegend belastende, erniedrigende Beziehung mit einem Partner mit immer wiederkehrenden Trennungsambivalenzen und Drogen, aber es gab auch gute Zeiten.
Anfang 2022 war der Tiefpunkt erreicht. Da hatte ich drei Entgiftungen innerhalb von nur drei Monaten! Insgesamt war ich in fünf Entgiftungen. Anfang 2022 stand für mich fest: Entweder trinke ich mich zu Tode, oder ich hole mir Hilfe.

Der Weg zurück ins Leben

Den ersten Schritt zur Unterbrechung der Selbstzerstörung unternahm ich ab April 2022: da war ich zunächst drei Monate im Haus Immanuel, die mich dann ins Haus Sebastian der Diakonie Rosenheim überleiteten. Die Empfehlung für das Haus Sebastian kam durch das Haus Immanuel sowie durch zwei Bewohner aus dem Haus Sebastian, die ich von der Entgiftung kannte, und durch die Beratung der Fachambulanz für Suchterkrankungen.

Im Haus Sebastian waren der eng gesteckte Rahmen mit regelmäßigen Atemalkohol- und Urinkontrollen und die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern sehr hilfreich. Ebenso haben mir auch Gespräche mit dem psychologischen Fachdienst und Entspannungsübungen wie Autogenes Training und Achtsamkeitsübungen sehr geholfen. Insgesamt herrscht im Haus Sebastian ein tolles Miteinander, es gibt Gleichgesinnte und tolle Freizeitaktivitäten – es fühlt sich an wie eine große Familie. Die Arbeitstherapie und die sozialen Entwicklungstrainings, alles spielt zusammen.

Ende 2022 und Anfang 2023 traf ich dann die Entscheidung zur Scheidung, die heute rechtskräftig ist. Durch wiedergewonnene Stärke und die Fähigkeit, mich selbst zu spüren und mich kennenzulernen, konnte ich diesen Schritt gehen. Gegen meine Depressionen hilft mir beispielsweise auch das Klettern, weil es mir zeigt, was für Kraft in mir steckt und was ich schaffen kann. Es weckt meinen Mut und die Fähigkeit, mich zu spüren – auch in der jeweiligen Tagesform.

So konnte ich die Depressionstabletten nach ca. einem Jahr absetzen. Auch dadurch habe ich mich selbst wieder stärker gespürt. Die Teilnahme an der Gruppe ‚Kipppunkte‘, wo es ans ‚Eingemachte‘ geht, war besonders lehr- und aufschlussreich und half mir, mich selbst besser zu verstehen.

Die Bereitschaft, dass man selbst mitarbeiten möchte, ist aber das Entscheidendste für den Erfolg. Man muss es verinnerlichen. Ich habe immer Liebe und Zuwendung gesucht und wollte immer anerkannt werden. Hier konnte ich mein Selbstbewusstsein wieder stabilisieren. Eigene Ziele und soziale Kontakte außerhalb des Hauses zu haben, ist ebenfalls sehr wichtig. Meine Cousine und ein paar richtig gute Freunde unterstützen mich prima!
Trotz einschneidender Erlebnisse während der Zeit im Haus Sebastian bin ich größtenteils, vor allem nach dem ersten halben Jahr, immer stabil geblieben. Meine Mutter ist gestorben, mein Vater musste umziehen, ich habe die Scheidung und eine schwere Kopfoperation mit 27 Bestrahlungen hinter mich gebracht. Meine Belastungsgrenzen wurden dabei ausgetestet und mit Stolz habe ich diese erweitert. Viele meiner Traumata konnte ich bearbeiten.

Zukunftsperspektive

Aktuell stehe ich vor der wichtigen Entscheidung: Wie geht es weiter? Soll ich in eine eigene Wohnung ziehen, soll ich ins Ambulant betreute Wohnen wechseln oder vorerst im Langzeitbereich des Haus Sebastian bleiben?
Momentan bin ich am Abwägen, wie eng der Rahmen für mich noch sein muss. Ein nächster Schritt ist auch der erneute Einstieg ins Außenpraktikum zur Arbeitserprobung, das ich zwischenzeitlich durch meine gesundheitlichen Schwierigkeiten auf Eis legen musste. Ich schaue mir Wohnalternativen an und führe eine Liste mit Vor- und Nachteilen, werte diese mit meinen Betreuungspersonen im Haus Sebastian aus und wäge ab.
Eins steht für mich jedoch schon fest: Das Klettern werde ich beibehalten und auch zu den ‚Kipppunkte‘-Treffen will ich in jedem Fall weiter gehen! Außerdem ist mir wichtig, eine klare und gesunde Tagesstruktur zu behalten. Nach einer passenden Selbsthilfegruppe suche ich derzeit noch.

Ich bin sehr dankbar, dass ich meine Kontakte außerhalb des Hauses immer pflegen konnte und bin zuversichtlich, dass ich eine gute Entscheidung für die Zukunft treffen werde. Die beste habe ich bereits getroffen: Ich habe mich für das Leben entschieden!“

Text: Simone (Name geändert)
Foto: Karl Schachner

Viele Angebote der Diakonie Rosenheim sind auf Zeit-, Sach- und Geldspenden angewiesen. Im Spenden-Bereich unserer Website informieren wir Sie gern über unterschiedliche Unterstützungsmöglichkeiten.
Wir bedanken uns an dieser Stelle ganz herzlich für jede Hilfe!

KomMa
Autor: KomMa

Kommunikation und Marketing der Diakonie Rosenheim

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