In der Landeshauptstadt München gibt es im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe insgesamt zehn Kinderschutzhäuser und Inobhutnahmestellen, die von verschiedenen Trägern betrieben werden. Diese Schutzstellen bieten bis zu 124 Kindern ein vorübergehendes Zuhause und eine sichere Umgebung, wenn sich ihre Eltern nicht adäquat um sie kümmern oder von Erwachsenen eine Gefahr für die Kinder ausgeht; mit anderen Worten, wenn das Kindeswohl gefährdet ist und die Kinder nicht länger in ihren Familien bleiben können.
Mehr freie Plätze als üblich
Seit Beginn der Pandemie halten sich die Anfragen des Jugendamts nach freien Plätzen aber leider in Grenzen. Am 20. Januar waren in der Stadt und dem Landkreis München noch 45 Plätze frei. Das hat Miriam Egeler, Sprecherin der Fachgruppe „Inobhutnahme“ und Geschäftsbereichsleiterin bei der Diakonie Rosenheim, recherchiert. Die Situation sei in der Tat ungewöhnlich, bestätigt auch Andrea Wimmer, Leiterin eines Schutzhauses im Münchener Stadtteil Nymphenburg, denn erfahrungsgemäß sei der Bedarf von Schutzplätzen besonders vor Weihnachten hoch. In ihrem Haus seien beispielsweise derzeit von neun Plätzen allerdings gerade einmal drei belegt und die 16 pädagogischen Fachkräfte der Einrichtung nun seit 1. Februar in Kurzarbeit, so dass Wimmer um die Existenz des Kinderschutzhauses fürchtet.
Auch wenn sinnvollerweise nicht immer alle Plätze in den Schutzeinrichtungen belegt sein sollten, um auch kurzfristig auf Anfragen reagieren zu können, brauche man über das Jahr dennoch eine konstante Belegung von etwa 90 Prozent, um kostendeckend arbeiten zu können, erklärt Egeler.
Große Sorge um die Schwächsten der Gesellschaft
Die Finanzierung ist aber nur ein Aspekt der aktuellen Situation. Noch stärker treibt Fachkräfte, die im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe arbeiten, derzeit die Sorge um die Kinder und Jugendlichen um! Denn weil sie durch die Schließungen nicht mehr in Schulen oder Kitas gingen, seien gerade Kinder, die zu Hause vernachlässigt würden oder Aggressionen bzw. körperlichen Übergriffen ausgesetzt seien, für das Jugendhilfenetz weniger sichtbar! „Die Kinder, die wir unbedingt sehen müssten, sieht keiner mehr“, fürchtet auch Gundula Brunner, geschäftsführende Vorständin der „Initiative für Münchner Mädchen“ (Imma).
Auch andere stationäre Jugendhilfeeinrichtungen betroffen
Der Umstand, dass momentan in den Schutzstellen weniger Kinder und Jugendliche ankommen als üblich, wirkt sich in der Folge auch auf solche Einrichtungen der stationären Kinder- und Jugendhilfe aus, die die jungen Menschen nach der Klärung ihres Hilfebedarfs ‚normalerweise‘ im Anschluss bei sich aufnehmen. „Die Transportkette funktioniert nicht mehr“, beschreibt es die Leiterin eines Münchener Kinderheims, die anonym bleiben möchte.
Dorothee Schiwy, Sozialreferentin der Stadt München, hält es trotz der aktuell geringen Nachfrage dennoch für wichtig, die vorhandenen Schutzstellen zu erhalten. Sie geht davon aus, dass mit der Lockerung des ‚Lockdowns‘ auch der Bedarf nach sicheren Orten für junge Menschen wieder ansteigen werde.
Autor: Rabia Temel
Marketing & Kommunikation